Zeitgleiche Explosion von tausenden Pagern der Hisbollah im Libanon

17.09.2024 19:47:00 Von 1291
Explodierter Pager der Hisbollah im Libanon

Gleich vorneweg: Pager sind nicht gefährlich! 

Normale Pager, wie sie häufig von Feuerwehren und Rettungsdiensten in Europa eingesetzt werden, können nicht explodieren. Ihre Träger sind sicher und können nicht verletzt werden.

Nachdem tausende von Personen mit Verbindung zur Hisbollah im Libanon und wohl auch Syrien durch eine zeitgleiche Explosion ihrer Pager zum Teil schwer verletzt wurden und mehrere sogar ums Leben kamen, erreichten uns seither besorgte Anfragen von Feuerwehren und Rettungsdiensten, ob Ähnliches auch hier möglich sei. Die Antwort ist eindeutig: NEIN.

 

Normale Pager (Funkmeldeempfänger), wie sie von Feuerwehr und Rettungsdienst verwendet werden, gelten seit Jahrzehnten als sicher und können nicht explodieren. Sie sind speziell für den Einsatz in robusten und oft gefährlichen Umgebungen entwickelt. Diese Geräte unterliegen strengen Sicherheitsstandards und werden umfassend getestet, um sicherzustellen, dass sie keine Gefahr für ihre Benutzer und andere Personen darstellen.

 

In sehr seltenen Fällen kann es, wie bei jedem elektronischen Gerät, zu Problemen kommen, etwa durch defekte Akkus oder starke physische Beschädigungen. Solche Vorfälle würden bei Pagern aufgrund ihrer geringen Akkugrösse jedoch nicht zu Explosionen im klassischen Sinne, wie sie im Libanon und Syrien stattgefunden haben, sondern eher zu Rauchentwicklung oder Überhitzung führen.

 

Die Technologie dieser Pager ist darauf ausgelegt, in extremen Situationen zuverlässig zu funktionieren und dabei gleichzeitig die Sicherheit der Benutzer zu gewährleisten.

Die Hisbollah nutzt aus Sicherheitsgründen bevorzugt Pager statt Mobiltelefone

Vor rund acht Monaten, Anfang 2024, begann die irantreue Schiitenmiliz Hisbollah verstärkt auf Pager zu setzen. Der Hauptgrund dafür dürfte in Sicherheitsbedenken im Zusammenhang mit Smartphones und anderen Mobiltelefonen liegen. Diese gelten allgemein als nicht sicher. Viele staatliche Akteure sind in der Lage, Smartphones zu hacken.

 

Mit geeigneter Spezialsoftware können bei Handys GPS-Positionen und weitere Daten aus der Ferne ausgelesen werden. Selbst wenn der Einsatz professioneller Spyware nicht möglich ist, lassen sich über verschiedene andere Methoden und Technologien, wie etwa die Analyse der genutzten Funkzelle, grobe Standortinformationen ermitteln. Mithilfe von ADINT (advertising-based intelligence) können nicht nur Interessen und Gewohnheiten, sondern auch Bewegungsmuster und Standortinformationen erfasst werden. Zudem kann bei Smartphones über technische Lösungen das WLAN-Netzwerk, in dem das Gerät angemeldet ist, identifiziert werden.

 

Im Vergleich dazu lässt sich ein Pager nicht sinnvoll hacken. Ein Pager ist, anders als ein Mobiltelefon, nicht aktiv in ein Netz eingebucht. Der klassische Pager funktioniert vielmehr ähnlich wie ein Radio- oder Fernsehgerät und empfängt lediglich ein ausgesendetes Signal. Er ist also nur ein Empfänger und überträgt selbst keine Daten. Ein GPS-Modul zur Standortbestimmung, wie es bei Smartphones üblich ist, fehlt bei Pagern. Eine Ortung eines Pagers ist daher technisch nicht möglich, selbst im Falle vermisster Einsatzkräfte.

Tausende Explosionen von Pagern um Punkt 15:30 Uhr (Ortszeit)

Um 15:30 Uhr Ortszeit wurde libanonweit eine Nachricht an alle Pager gesendet. Die Nachricht sah zunächst so aus, als würde sie angeblich von der Hisbollah selbst stammen. Auch Hisbollah-Pager in Syrien sollen betroffen gewesen sein. Diese Trigger-Nachricht soll den eingebauten Fernzünder in den Pagern aktiviert und damit die Explosionen ausgelöst haben. Berichten zufolge waren die Pager so programmiert, dass sie einige Sekunden lang piepten, bevor der Sprengstoff detonierte. Die falsche Nachricht und das Piepen sollen wahrscheinlich die Träger dazu verleitet haben das Gerät zum Zeitpunkt der Explosion zum Nachricht lesen in der Hand zu halten. Augenzeugen berichten von Panik auf den Straßen und schlagartig überfüllten Notaufnahmen. Wie vorliegende Videoaufnahmen zeigen, sind insbesondere schwerste Handverletzungen mit massiv bleibenden Schäden sowie zum Teil signifikante Unterleibsverletzungen die häufigsten Folgen der gezielten Detonation. Ebenfalls wird von teils schweren und bleibenden Augenverletzungen berichtet.

  

Nach aktuellem Erkenntnisstand sollen die Pager mit Kleinstmengen an Sprengstoff bestückt worden sein. Die Sprengladungen, etwa 30 bis 60 Gramm pro Gerät, sollen direkt neben der Batterie fest verbaut worden sein. Zudem soll ein kleiner Fernzünder in die Pager integriert gewesen sein, der die Fernaktivierung der Explosionen ermöglichte.

  

Dies erklärt auch die Art, Synchronität und Intensität der Explosionen. Experten vermuten hinter diesem Vorfall eine geheime staatliche Operation mit weitreichenden Folgen für die radikalislamische Terrororganisation Hisbollah. Es kursieren auch eher unwahrscheinliche Theorien, dass die Lithium-Batterien der Pager durch gezielten Schadcode zur Überhitzung gebracht worden seien. Dies hätte jedoch nicht in allen Fällen zu derart synchronen und gleichartigen Explosionen geführt.

  

Bilder von explodierten Pagern zeigen das Logo des taiwanesischen Pager-Herstellers Gold Apollo. In einer eilig einberufenen Pressekonferenz am Sitz der Gesellschaft in Taiwans Hauptstadt Taipeh, distanzierte sich das Unternehmen von den Vorfällen und erklärte, dass die betroffenen Geräte nicht aus ihrer Produktion stammen. Sie seien vom ungarischen Hersteller BAC gefertigt worden, der das Logo von Gold Apollo verwenden dürfe. Die Webseiten beider Unternehmen waren zeitweise nicht erreichbar. Bei der Hisbollah kam vor allem das BAC-Modell AR-924 zum Einsatz, daneben auch weitere BAC-Pager. Der AR-924 ist ein besonders robustes Modell und verfügt laut Hersteller über den Schutzgrad IP67, was ihn wasser- und staubdicht macht. Der Pager empfängt im UHF-Bereich zwischen 450 und 470 Megahertz und kann bis zu 30 Nachrichten mit jeweils 100 Zeichen speichern. Die Akkulaufzeit beträgt laut Herstellerangaben bis zu 85 Tage.

  

Die Hisbollah hat Israel Rache geschworen und beschuldigt das Land, hinter der Sabotage zu stecken. Israel hat sich bislang nicht zu den Vorfällen geäußert. Nachrichtendienstlichen Quellen zufolge soll Israel die Lieferkette der Pager manipuliert haben, um diese Attacke zu ermöglichen.

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